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Das verkürzte Zitat von Winston Churchill, der unbestritten als der bedeutendste britische Staatsmann des 20. Jahrhunderts gilt, stammt aus einer Rede, die er am 11. November 1947 vor dem britischen Unterhaus hielt. Wörtlich sagte er damals: „Demokratie ist die schlechteste Regierungsform - mit Ausnahme von all den anderen Formen, die von Zeit zu Zeit ausprobiert worden sind.“
All die anderen Formen, das waren zum Zeitpunkt von Churchills Rede die totalitären Diktaturen, wie die Hitlers im gerade untergegangenen Deutschland. Aber auch die erste deutsche Demokratie der Weimarer Republik, die ungefestigt war und sich gegenüber dem Nationalsozialismus nicht behaupten konnte. Auch der Faschismus, Mussolinis autoritäre Herrschaft in Italien, die 1943 zugrunde ging und das diktatorische Franco-Regime in Spanien, das erst zehn Jahre nach Churchills Tod endete, zählen zu diesen anderen Formen. Und dann gab es ja noch die absoluten und feudalen, auf einem „Gottesgnadentum“ beruhenden Monarchien der vergangenen Jahrzehnte und Jahrhunderte. Heilige Reiche, die in Ewigkeit bestehen sollten und doch untergingen und heute nur noch Mythen sind. Heute können wir zu Churchills anderen Regierungsformen weitere hinzufügen. In Europa waren nach dem Zweiten Weltkriegs zwei Blöcke entstanden, in denen fundamental unterschiedliche Regierungsformen zum Tragen kamen. Während es die parlamentarischen Demokratien und Monarchien in Westeuropa ermöglichten, dass durch freie, gleiche, direkte und geheime Wahlen alle Staatsgewalt vom Volk ausgeht und dadurch Regierungen (auf Zeit!) gebildet werden konnten, entwickelten sich im Osten des Kontinents totalitäre Staaten heraus, mit autokratischen und in der Tendenz sogar diktatorischen Regierungsformen. Während sich im Westen der politische Willensbildungsprozess in Mehrparteiensystemen organisieren konnte, wurde er im Osten in staatlich gelenkten Einparteiensystemen zwangskollektiviert. Während der Zeit des "Kalten Krieges" entwickelten sich die Demokratien des Westens zu Gesellschaften, in denen die Staatsgewalt in gesetzgebende, ausführende und rechtsprechende Gewalten geteilt wurde. Sie entwickelten sich zu sozialen Gemeinwesen mit auf Solidarität gegründeten sozialen Sicherungssystemen. Die Demokratien des Westens verankerten die Grundrechte der Menschen in ihren Verfassungen, an erster Stelle die Würde des Menschen, die als unantastbar erklärt wurde. Sie garantierten Freiheitsrechte, wie die Versammlungsfreiheit und die Meinungs-, Informations- und Pressefreiheit . wird fortgesetzt · 3. Januar 2023 · hwb
Wo die Demokratie zerstört wurde, offenbart sich die dunkle Seite der Macht. Demokratie in Gefahr: QAnon, Querdenker & CoEin Beitrag zur Aufklärung Die Erstürmung des amerikanischen Parlaments in Washington am 6. Januar 2021, das versuchte Eindringen in das deutsche Parlament im vergangenen Sommer oder die deutschlandweiten Querdenkerdemonstrationen der letzten Zeit machten deutlich: „Wehret den Anfängen!“ funktionierte hier nicht. Diese gut gemeinte Warnung stieß auf taube Ohren. Entweder hatten die Akteure noch nie davon gehört oder sie bewusst ignoriert. Die Wirkmacht der Bilder und die Berichte in den Medien machten uns mit Dingen bekannt, von denen wir bis vor kurzem noch nichts gehört hatten: "QAnon", "WWG1WGA" oder "Deep State".
Der IT-Unternehmer Michael Ballweg, Gründer von "Querdenken 711 Stuttgart" bei einer Rede auf einer Kundgebung (Foto: AP) Ein Ziel haben QAnon, Querdenker & Co. erreicht: anhaltende Verwirrung und große Verunsicherung. Für unsere Demokratie und für unseren Staat bedeutet das eine ernste Gefahr. Schon im fünften Jahrhundert vor Christus hatte der chinesische Philosoph Konfuzius auf diese Gefahr hingewiesen: „Wenn die Worte nicht stimmen, stimmen die Begriffe nicht. Wenn die Begriffe nicht stimmen, wird die Vernunft verwirrt. Wenn die Vernunft verwirrt ist, gerät das Volk in Unruhe. Wenn das Volk unruhig wird, gerät die Gesellschaft in Unordnung. Wenn die Gesellschaft in Unordnung gerät, ist der Staat in Gefahr.“
Fake News und „Alternative Fakten“
Ein Beispiel aus Deutschland, in Russland produziert Im Januar 2016 sorgte der „Fall Lisa“ bundesweit für Aufsehen. Damals sollen Flüchtlinge die aus einer russlanddeutschen Familie stammende 13-jährige Lisa F. entführt und vergewaltigt haben. Die Meldungen dazu wurden insbesondere durch russische Medien verbreitet und führten zu diplomatischen Spannungen zwischen Deutschland und Russland. In Berlin kam es zu spontanen Demonstrationen von dort lebenden Russlanddeutschen und rechten Gruppierungen. Der Internationale Konvent der Russlanddeutschen hatte die Veranstaltungen organisiert und angemeldet. Der Berliner Ableger der fremdenfeindlichen Pegida-Bewegung, "Bärgida", hatte zur Teilnahme an der Kundgebung aufgerufen. Darüber berichtete das DEUTSCHLANDFUNK-Magazin in seiner Ausgabe vom 4. Februar 2016: » Der Aufruf zur Demonstration vor dem Bundeskanzleramt wurde in russischer Sprache über Whatsapp und in russischsprachigen sozialen Netzwerken verbreitet. Dort stand zu lesen: „Achtung! Das ist Krieg! Eine 13-jährige wurde in Berlin vergewaltigt. Die korrupte Regierung und ihre Hunde, die Polizei, versuchen mit allen Mitteln, dies zu vertuschen. Die Presse schweigt schon seit einer Woche. Am Sonntag, den 24.1., von 14.00 bis 16.00 Uhr, geht die gesamte russischsprachige Bevölkerung auf die Plätze, zu den Rathäusern aller Städte in Deutschland. Ob Groß oder Klein, alle gleichzeitig.“ Hunderte Russlanddeutsche demonstrieren in Villingen-Schwenningen gegen Gewalt und für mehr Sicherheit in Deutschland. (dpa / Marc Eich)
Russische Medien im Einsatz: Berichte im russischen TV (Oben und Mitte links), Pressekonferenz von Außenminister Lawrow zum "Fall Lisa" (Mitte rechts) und Demonstrationen vor dem Berliner Kanzleramt (unten) (Sreenshots: Hans Werner Büchel, 2021) Dann stellte sich heraus, dass ein russischer Journalist des russischen halbstaatlichen Fernsehsenders "Perwy kanal" (deutsch: Erster Kanal) die Nachricht von der Entführung und Vergewaltigung der 13-jährigen frei erfunden hatte. "Perwy kanal" ist der populärste Sender in Russland, der auch von vielen bei uns lebenden Russlanddeutschen als Hauptinformationsquelle genutzt wird. Russland selbst hatte die Darstellung des Falls als Vergewaltigung in die breitere Öffentlichkeit gebracht. Der russische Außenminister Lawrow hatte vor der internationalen Presse in Moskau Lisa "unser Mädchen" genannt und den deutschen Behörden Vertuschung und mangelnde Bereitschaft zur Aufklärung des vermeintlichen Verbrechens vorgeworfen. Die Meldungen, auf die sich der russische Minister berief, waren jedoch in seinem Land entstanden, frei erfunden und somit unwahr. Sie waren Falschmeldung! So funktioniert das Prinzip der Fake News. Die Ermittlungen der Berliner Staatsanwaltschaft ergaben, dass Lisa sich wegen Schulproblemen nicht nach Hause getraut hatte und deshalb in der fraglichen Nacht bei einem Freund war. Bei den rechtsmedizinischen Untersuchungen wurden keine Vergewaltigungsspuren gefunden. Die fatale Folge des „Fall Lisa“: er wurde zum Anlass und Auslöser für einen Übergriff auf ein Asylbewerberheim in Berlin-Marzahn. Falsche Behauptungen und frei Erfundenes bilden auch die Grundlage für nahezu alle Verschwörungen, die in den vergangenen Jahren in Umlauf kamen, die öffentliche Meinung beeinflussten und dadurch auch Auswirkungen auf das politische Leben hatten. Fake News und „Alternative Fakten“ wurden während der gesamten Regierungszeit von Donald Trump in den USA, und von dort weltweit ausstrahlend, sogar zur Normalität. Schon vor seinem Amtsantritt am 20. Januar 2017 war von einflussreichen, politisch äußerst rechts stehenden Republikanern der „Alt-Right-Bewegung“ („Alternative Right“, deutsch: alternative Rechte) der Grundstein dazu gelegt worden. Trumps gesamter Wahlkampf baute auf falschen oder gefälschten Nachrichten auf, die in eigens hierfür geschaffenen Medien massenhaft verbreitet wurden. Mitglieder der "Alt-Right-Bewegung" (alternative Rechte) 2017 in den USA (Bild: Anthony Crider, CC BY 2.0) Drahtzieher, Hintermänner, Hinterfrauen, Medienmogule: Die Macher der Fake News in den USA Zu den wichtigsten und einflussreichsten Drahtziehern dieser Kampagnen zählten der enge Trump-Freund Stephen Kevin Bannon, besser bekannt als Steve Bannon, mit seinen "Breitbart Medien", die ehemalige republikanische Gouverneurin von Alaska, Sarah Pallin, und die von ihr repräsentierte, 2009 gegründete rechtspopulistische „Tea-Party-Bewegung“. Auch der gerade erst verstorbene Radiomoderator Rush Limbaugh, der mit seinem amerikaweit bekannten „The Rush Limbaugh Program“ die Anhänger Trumps rund um die Uhr mit frischen Fake News versorgte, gilt als enger Unterstützer Trumps und als einer der Wegbereiter seiner Präsidentschaft. Wesentliche Unterstützung fanden diese Akteure durch den Fernsehkonzern "Fox News Channel" des Medienmilliardärs Rupert Murdoch. Finanziell konnte die ultrakonservative Bewegung von Anbeginn an auf die Unterstützung durch die Koch-Brüder setzen. Charles Koch (*1935) und David Koch (* 1940, † 2019), zwei amerikanische Großindustrielle, mit einem geschätzten Vermögen von jeweils mehr als 43 Milliarden Dollar zu den reichsten Menschen der Welt zählend, waren maßgeblich an der Finanzierung der „Tea-Party-Bewegung“ und der gesamten „Alt-Right-Bewegung“ beteiligt. Unmittelbar nach dem Amtsantritt von Barack Obama hatten sie zusammen mit anderen konservativen Milliardären Organisationen wie "Americans for Prosperity" (deutsch: Amerikaner für den Wohlstand) finanziert. Diese registrierten Internetdomainnamen, holten Genehmigungen für Kundgebungen ein, bildeten Organisatoren aus und stellten einen Großteil der Finanzmittel bereit, um die Infrastruktur und die strategische Leitung der "Tea-Party" aufzubauen. Parallel dazu formierte sich seit 2009 die rechtsextremistische und staatsfeindliche Miliz der „Oath Keepers“ (deutsch: Eidbewahrer), die als Teil der „Patriot Movement“ (patriotische, vaterländische Bewegung) bevorzugt ehemalige Soldaten und Polizisten in ihre Reihen aufnahm. Logos der "Proud Boys" und der "Oathkeepers" in den USA Aktuelle Meldung vom 30. November 2022
Anführer rechtsextremer Miliz verurteilt Eine Jury befand „Oath Keepers“-Gründer Stewart Rhodes wegen „aufrührerischer Verschwörung“ für schuldig. Es ist ein in der Justizgeschichte der USA nur sehr selten anerkannter Straftatbestand. Der Gründer der rechtsextremen US-Miliz „Oath Keepers“, Stewart Rhodes, ist wegen der Kapitol-Erstürmung vom Januar 2021 der „aufrührerischen Verschwörung“ schuldig gesprochen worden. Ein Geschworenengericht der Hauptstadt Washington sprach den 57-Jährigen und einen weiteren Anführer der „Oath Keepers“ dieses besonders schwerwiegenden Anklagepunktes schuldig. Ihnen drohen damit bis zu 20 Jahre Gefängnis, das Strafmaß wird zu einem späteren Zeitpunkt verkündet. Stewart Rhodes, der 1966 geborene Gründer der rechtsextremen „Oath Keepers“ („Eidbewahrer“) ohne Augenklappe 2011 und bei einer Rede 2019 vor dem Weißen Haus Es sind die ersten Verurteilungen wegen aufrührerischer Verschwörung im Zusammenhang mit dem Angriff auf das US-Kapitol am 6. Januar 2021. Der Straftatbestand richtet sich unter anderem gegen Versuche, die US-Regierung zu stürzen, und kommt in den USA nur selten zur Anwendung. Die Staatsanwaltschaft hatte den insgesamt fünf Angeklagten in dem Prozess vorgeworfen, eine „bewaffnete Rebellion“ gegen die US-Regierung geplant zu haben. Neben Rhodes wurde nun auch der Anführer der „Oath Keepers“ im Bundesstaat Florida, Kelly Meggs, der aufrührerischen Verschwörung schuldig gesprochen. Die drei anderen Angeklagten wurden von diesem Vorwurf zwar freigesprochen, aber wegen anderer Straftaten schuldig gesprochen.
Während Trumps Wahlkampf gründete sich 2016 die Gruppe der „Proud Boys“ (deutsch: stolze Jungs), die ihre Aktivitäten in den folgenden Jahren der Präsidentschaft Trumps ganz auf dessen Unterstützung konzentrierte. Da Trump noch immer behauptet, die Wahl 2020 sei gefälscht worden, so dass ihm "der Sieg gestohlen" worden sei, sehen die „Proud Boys“ bis heute in Trump den rechtmäßigen Präsidenten der USA. Daher folgten sie am 6. Januar 2021 direkt seinen Anweisungen und beteiligten sich in großer Zahl am Sturm auf das Kapitol. Als erster Staat hat Kanada die "Proud Boys" im Januar 2021 offiziell als terroristische Vereinigung eingestuft. Die Erfindung der "alternativen Fakten" Vergleichsbilder des amerikanischen Fernsehens von den Amtseinführungen Obamas (2009) und Trumps (2017), darunter Sean Spicer bei der Pressekonferenz und Kellyanne Conway beim Statement vor dem Weißen Haus
Dieser Beitrag wird derzeit aktualisiert. hwb · 17.03.2021 „Q“ und „QAnon“
QAnon-Anhänger und -aktivisten vor dem Brandenburger Tor in Berlin und ihre Vorbilder in den USA
Bereits im Mai 2019 erklärte die Bundespolizei (FBI) „QAnon“ zur terroristischen Bedrohung. Dennoch konnte bislang die Identität der hinter "QAnon" steckenden Person oder der Personengruppe nicht geklärt werden. Im April 2021 wurde in den USA eine Dokumentation des Filmemachers Hoback veröffentlicht, in dem sich der Betreiber des Internetportals "8chan", Ronald Watkins, versehentlich als "Q" geoutet haben soll. Ein sicherer Beweis dafür fehlt aber weiterhin. Foto links: Fredrick Brennan Querdenker – Versuch einer Erklärung
Initiator der "Querdenker"-Demos: Der IT-Unternehmer Michael Ballweg auf einer Kundgebung im vergangenen Jahr (Foto: dpa)
Im Oktober 2020 untersuchte eine Gruppe von Wissenschaftlern der Uni Konstanz die neuartige Bewegung der „Querdenker“. Sie stellten dabei fest, dass „Querdenker“ größtenteils Bürger sind, „die sich bewusst in eine mediale Parallelwelt begeben haben, um ihr altes Leben vor der Pandemie zurück zu erhalten“, so der Soziologe und Politikwissenschaftler Sebastian Koos.
Querdenker treten nicht nur in Stuttgart oder im fernen Berlin auf: auch bei uns im Saarland - wie hier vor dem Staatstheater in Saarbrücken - suchen sie die Öffentlichkeit. Schon die "Widerstandsfahne" lässt erahnen, welch Geistes Kind diese Bewegung ist.
QAnon, Querdenker und Reichsbürger
Die folgende Fotogalerie vermittelt einen Eindruck von der ganz offen zu Tage getretenen gedanklichen und folglich auch argumentativen Verwirrtheit von Teilnehmern an den Anti-Corona-, QAnon- und Querdenkerdemonstrationen in den USA und bei uns in Deutschland.
Wörtlich rief Kirschbaum von der Bühne: "Wir schreiben heute hier in Berlin Weltgeschichte. Guckt euch um, die Polizei hat die Helme abgesetzt. Vor diesem Gebäude (gemeint ist der Reichstag, Anm.) und Trump ist in Berlin. Die ganze Botschaft ist hermetisch abgeriegelt, wir haben fast gewonnen. Wir brauchen Masse. Wir müssen jetzt beweisen, dass wir alle hier sind. Wir gehen da drauf und holen uns heute, hier und jetzt unser Hausrecht. Wir werden gleich diese komischen kleinen Dinger brav niederlegen und gehen da hoch und setzen uns friedlich auf Treppe und zeigen Präsident Trump, dass wir den Weltfrieden wollen und dass wir die Schnauze gestrichen voll haben. Wir haben gewonnen." Daraufhin durchbrachen bis zu 400 Personen die Absperrungen, besetzten die Treppe und versuchten ins Gebäude einzudringen, darunter Reichsbürger mit Schwarz-Weiß-Rot-Flaggen. Auch Kirsch-baum gehört laut Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen zur Reichs-bürgerszene. Die Besetzung des deutschen Parlamentsgebäudes war zuvor in Chatgruppen und auf der Demonstration selbst gefordert worden. Verbindung von Querdenkern und Reichsbürgern Obwohl Querdenker nach außen vorgeben, sich von Extremisten abzugrenzen, wurde nach der versuchten Erstürmung des Reichstagsgebäudes bekannt, dass „Querdenker“-Gründer Michael Ballweg ein Treffen mit dem als „König von Deutschland“ bekannt gewordenen einschlägig vorbestraften „Reichsbürger“ Peter Fritzek eingeleitet hatte. Darüber berichtete die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) am 26. November letzten Jahres ausführlich. Demnach hatte Ballweg mit einer Mail, deren Inhalt bekannt wurde, eine Einladung an ausgewählte Aktivisten ausgesprochen: „Bitte teilt diese Information NICHT weiter“, schreibt Querdenken-711-Gründer Michael Ballweg dort. „Es ist sehr wichtig, dass ihr niemanden mitbringt, der keine persönliche Einladung bekommen hat.“ Und: „Bitte behandelt diese Einladung vertraulich, REDET NICHT in eurem Umfeld über dieses Treffen und über unsere neuen Ideen.“ Es sei an der Zeit, „dass wir uns nach neuen Möglichkeiten und anderen Strategien umsehen“, und man habe „einen Lichtblick gefunden“. (Auszug aus „Audienz bei König Peter I.“ von Stefan Tomik und Rüdiger Soldt in FAZ, 26.11.2020) Der vorbestrafte Reichsbürger Peter Fritzek (links, Foto: dpa) und der Querdenker-Gründer Michael Ballweg (rechts, Foto: gemeinfrei) Bei dem erwähnten „Lichtblick“ handelte es sich um den vorbestraften Reichsbürger Peter Fitzek. Dazu führt die FAZ weiter aus: Ihn traf die Gruppe um Ballweg am vorvergangenen Samstag (Anm.: 14. November 2020) in einem Restaurant im thüringischen Saalfeld. Das Treffen wurde bekannt, weil die Polizei einen Hinweis bekommen hatte, dass dort eine Veranstaltung stattfinde und die Corona-Auflagen missachtet würden. Die Beamten rückten aus, notierten Personalien von etwa 80 Teilnehmern und lösten die Veranstaltung auf. Der baden-württembergische Verfassungsschutz kommt mittlerweile zu der Einschätzung, dass „unter den Organisatoren der Querdenken-Veranstaltungen wie auch im näheren Umfeld der Initiative“ derzeit „Extremisten“ tätig seien. Mitglieder von „QAnon“, der aufgelösten AfD-Jugendorganisation „Junge Alternative“, der NPD sowie der Partei „Die Rechte“ würden regelmäßig an Veranstaltungen der Querdenker in Baden-Württemberg teilnehmen.
Antisemitismus bei Reichsbürgern und Querdenkern Antisemitismus ist bei vielen Querdenkern, die derzeit öffentlich auf sich aufmerksam machen wollen, fester Bestandteil ihres Denkens und Handelns. Dabei dient auch hier, wie bei QAnon, ein abstruser Verschwörungsglaube als Grundlage für demokratiefeindliche und staatsgefährdende Aktionen. Querdenker suchen zudem die Nähe zur rechtsradikalen Szene und zur Reichsbürgerbewegung. Das liegt auf der Hand, denn gerade bei den Ultrarechten und Neonazis sind eine ausgeprägte Abneigung und zum Teil sogar blinder Hass auf die Juden an der Tagesordnung. QAnon-Verschwörer: Juden sind an allem schuld Die Verschwörungserfinder von QAnon, die Reichsbürger, die Neonazis in Deutschland und anderen Ländern und neuerdings auch große Teile der Querdenker-Bewegung haben durch intensiven Austausch in den sogenannten sozialen Netzwerken die Urheber der Missstände im Allgemeinen und der Corona-Pandemie im Besonderen längst ausgemacht: Sie sind der festen Überzeugung, dass die Juden an allem schuld sind. Die amerikanische QAnon-Bewegung sieht sogar eine jüdische Clique am Werk, die nach der Weltherrschaft strebe. Diese von QAnon verbreitete antisemitische Verschwörung eines Weltjudentums behauptet in einem Text, die britische Königin Elizabeth II., der frühere US-Präsident Barack Obama, der Milliardär George Soros und „die satanische Hohepriesterin Hillary Diane Rodham Clinton“ seien Teil einer Verschwörung der jüdischen Familie Rothschild, um die Nichtjuden ihres Eigentums zu berauben.
Verschwörungslegenden sind nichts Neues Die Verschwörungslegenden der Antisemiten folgen einem seit dem Mittelalter bekannten Muster: den jüdischen Ritualmordlegenden, die nahezu alle im Zusammenhang mit Kindern standen. Drei Beispiele stehen stellvertretend für dieses Muster:
Aktuell baut die republikanische Kongressabgeordnete Marjorie Taylor Greene ihre gesamten politischen Aktivitäten auf dem von QAnon propagierten jüdischen Weltver-schwörungglauben auf. Greene ist erst seit dem 6. Januar 2021 Mitglied des amerikanischen Repräsentanten-hauses. Bereits 2018 und 2019 deutete sie in Social Media und Reden wiederholt ihre Unterstützung für die Exekution führender demo-kratischer Politiker an. Unter anderem likte sie bezüglich der Amtsentfernung von Nancy Pelosi einen Kommentar mit der Aussage „eine Kugel in den Kopf ginge schneller“ und erklärte in einer Rede, Pelosi habe Landesverrat begangen, was eine Straftat sei, die mit dem Tod bestraft werden könne. Taylor Greene ist überzeugte Anhängerin von Trump und bis zur Stunde davon überzeugt, dass dieser die Präsidentenwahl des vergangenen Jahres gewonnen habe. Das brachte sie sogar noch als Abgeordnete im Parlament zum Ausdruck, als sie dort Anfang Januar einen Mundschutz mit dem Aufdruck "Trump won" (Trump hat gewonnen) trug. Die republikanische Kongressabgeordnete Marjorie Taylor Greene am 3. Januar 2021 im amerikanischen Abgeordnetenhaus (Bild: Reuters) Ihre extremen öffentlichen Äußerungen und die weitere Verbreitung der QAnon-Verschwörungstheorien hat nun zu ersten Konsequenzen geführt: Am 4. Februar 2021 wurde die Kongressabgeordnete Marjorie Taylor Greene als Mitglied in zwei Ausschüssen amerikanischen Repräsentantenhauses ausgeschlossen. "Proud Boy" mit Kugelschutzweste (Bild: Allison Dinner/ZUMA Wire/dpa) Zu einer akuten Gefahr werden die QAnon-Verschwörungen, wenn sie von militanten Gruppen zur Grundlage ihrer Aktionen gemacht werden. Das geschieht in den Vereinigten Staaten aktuell durch die sogenannten "Proud Boys" (Stolze Jungs). Diese Gruppe tritt meist schwer bewaffnet, mit Helmen und kugelsicheren Westen auf. Die "Proud Boys" sehen in Ex-Präsident Trump ihren "Oberbefehlshaber", dem sie sich auch durch den Einsatz von körperlicher und Waffengewalt verpflichtet fühlen. Sie waren massiv an der Erstürmung des Kapitols am 6. Januar beteiligt. Anfang Februar 2021 wurde die Gruppierung der "Proud Boys" von der kanadischen Regierung offiziell als Terrorgruppe eingestuft. Geistige Sammlung? Stilles Gebet vor dem Kampf? (Bild: picture alliance/ZUMA Press) Dumm, stark, wasserfest und geländegängig? Auf diesen Gedanken könnte man beim Anblick des martialischen Outfits der "Proud Boys" kommen. Das mag sicher bei Einzelnen zutreffen, aber in ihrer Gesamtheit sind sie eine hochgefährliche, milizähnliche Organisation, die teilweise aus kampferfahrenen ehemaligen Soldaten (darunter auch Elitesoldaten der Marines) besteht und untereinander sehr präzise vernetzt sind. Wie lange sich die "PB" in den Staaten noch einigermaßen frei bewegen können, wird die nahe Zukunft zeigen. Seite in Arbeit · wird fortgesetzt · hwb 31.03.2021 |